Biographie
Pascoaes wurde am 2.11.1877 in der Nähe von Amarante geboren und starb auch dort am 14.12.1952.
Einzigartiger Vertreter des »anarchistischen Katholizismus«.
Sein Vater war ein bekannter Parlamentarier und einer der letzten Pairs des letzten Königs
von Portugal (einer der engsten Freunde von João Franco).
1906-1907 Beginn des Rechtsstudiums in Coimbra. Danach ca. 10 Jahre als freischaffender
Anwalt in Amarante und Porto. Die Landschaft, in der er aufwuchs, der Tâmega und
das Marão-Gebirge, als metaphorische Personen in seiner Dichtung von Anfang an
direkt oder indirekt präsent.
(1908 König Karl I. ermordet, 1910 Emanuel II. gestürzt.)
Die im Geburtsjahr der Republik (1912) gegründete und von Pascoaes initierte Zeitschrift
"A Águia" (Adler) leiten eine Bewegung ein, der es um die Wesensbestimmung
der Nation und der Dichtung ging. 1912-1914 in mehreren Bereichen (Aguia, Presse, Vorträge)
Einsatz für ein kulturelles und soziales Programm, das weltweit angelegt war. Dann WK I.
Zog sich 1914-34 auf seinen Familiensitz zurück. Als Grund führt Vigo einerseits ein
»unerklärliches Heimweh« an andererseits sagt er aber auch:
»Die künstlerisch hochgespannten und durch ihn immer bis ins Neblig-Ekstatische
geführten Ideale entarteten bald in billige politische Quertreibereien, die den
Gründer sich von der Bewegung abwenden ließen, wodurch der Kreis auseinanderfiel
und die Bewegung sich auflöste.«
Daß diese portugiesische Renaissance aus der Sicht von Pascoaes nicht nur auf eine
Stärkung des Nationalismus zielte, sondern sich als allgemeine Kritik der Moderne
verstand wird in folgendem Abschnitt aus dem »Paulus« deutlich:
»Die Welt war ein Reich der Dichtung in den ersten Jahrhunderten unserer Aera.
Wird dieses Wunder sich jetzt wiederholen? Wird der Gott der Dichter sich gegen
die Gelehrten wenden, die nur an die Materie glauben und mit ihrer Hilfe
Sprengstoffe, Giftgase und furchtbare Maschinen fabrizieren? Der Mensch ist
tot oder auch getrennt von seinem Geist in dieser modernen Industrieorgie, die eine
Parodie aus Stahl und Dampf auf die Orgie der Heiden ist. Er besteht, aber er lebt nicht.
Er existiert in zweihundert Kilometer pro Stunde, aber das Leben in ihm steht still.
Leblos lebend in einem rasenden Dasein, geblendet durch den Lärm und die Bewegung, die
beiden Facetten dieser amerikanischen oder neu-neronischen Zivilisation, so ordnet er
sich einem mechanisch-industriellen System ein und ist nichts als das Ineinandergreifen
von Zahnrädern. Das Ideal der Wissenschaft ist der absolute Tod, der Tod des Leibes und
der Seele, Atheismus und Melinit. Der Mensch, der von seiner Bestimmung: Weltbewußtsein
zu werden vor dem Angesicht des Schöpfers, abgewichen ist, verleugnet seine eigentliche
Natur und verliert seinen Daseinszweck. Daher die sittliche Lähmung, worin er verharrt,
und das Tempo, das ihm den Kopf verdreht und ihn ins Grab bringt. Er will Raum und Zeit
abschaffen und sich verwandeln in eine fiktive Einheit, ein bloß abstraktes Gebilde, das
steilrecht steht auf einem kreisenden Grund. Er will aufgehen in Rauch. Das ist die große
moderne Sensation nach dem antiken Gefühl. Aber vertrauen wir auf den menschlichen Geist.
Diese unsere amerikanische Zivilisation ist abhängig von einer keineswegs
unerschöpflichen Materie; das heißt: die Stoffmenge ist beschränkt. Die Fabrik,
der moderne Tempel, muß zerstört werden wie der Tempel der Artemis in Ephesus
oder der Venustempel von Paphos. Tempel bedeutet Grab, Totenhaus.
Aber ist die heidnische Fabrik erst einmal zerschlagen, dann kommt das Reich
der Kirche Christi, die Verbrüderung der Menschen, die große Gemeinschaft der Liebe.«
(P 309-310)
[CopyRight: Ronald Voullié, Hannover 2001]
Zur Bibliographie
|